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Sprachliche Gleichstellung im Texter/-innen-Alltag – Die ganz praktischen Probleme

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Das Thema der sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern hatten wir noch vor einiger Zeit mit dem Verweis auf das generische Maskulinum behandelt. Inzwischen hat sich jedoch innerhalb unserer Textabteilung ein – sehr kontrovers diskutierter – Meinungswandel dahingehend vollzogen, dass wir es nicht mehr für zeitgemäß halten, sich einfach auf das generische Maskulinum zurückzuziehen. Allerdings haben wir noch keine zufriedenstellende Lösung dafür gefunden, wie das in unserem praktischen Arbeitsalltag als Texterin und Texter aussehen soll.

Gern würden wir sagen (und unseren Kundinnen und Kunden empfehlen): Wir praktizieren ab sofort konsequent die Doppelnennung beziehungsweise eine der Kurzformen der Doppelnennung und stellen die sprachliche Gleichstellung im Zweifelsfall auch schon einmal über den sprachlichen Stil eines Textes. Außerdem würden wir es auch als Teil unserer Aufgabe als professionelle Textarbeiter/-innen betrachten, für knifflige Fälle eine gute Lösung zu finden. (Das müssen wir in anderen Fällen von sperrigen grammatischen Konstruktionen ja auch tun.) – Doch so einfach ist es leider nicht.

Zwar widmet sich auch der Duden-Band „Richtiges und gutes Deutsch“ unter dem Stichwort „Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache“ recht ausführlich diesem Thema und erklärt die verschiedenen Möglichkeiten der sprachlichen Gleichstellung (Doppelnennung – Lehrerinnen und Lehrer, Kurzformen der Doppelnennung – Lehrer/-innen und Ersatzformen – Lehrkräfte)* sowie deren richtige Verwendung. Doch in der praktischen Anwendung gibt es einige Fälle, die mit diesen Möglichkeiten nicht befriedigend zu realisieren sind, beziehungsweise ein paar Probleme, die nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind. Die für unsere Arbeit relevantesten seien im Folgenden kurz umrissen.

Der größere Platzbedarf

Ein erstes Problem, für das wir noch keine echte Lösung sehen, ist das Platzproblem. Bei vielen Unternehmenstexten und auch bei anderen Textsorten gibt es eine – zum Teil sehr strikte – Begrenzung der maximalen Zeichenzahl. Und wenn man dann einen Text schreibt, in dem sehr häufig die Notwendigkeit einer Doppelnennung entsteht, kommen schnell einige Hundert Textzeichen zusammen, die dann für andere Informationen und Botschaften nicht mehr zur Verfügung stehen. Das kann dann schon einmal knapp werden.

Besonders schwierig wird es bei Überschriften. Je nach Publikation gibt es hier sehr enge Vorgaben zur Zeichenzahl, die die Möglichkeiten, eine aussagekräftige Überschrift zu formulieren, ohnehin schon stark einschränken. Wer dann in der Überschrift auf die sprachliche Gleichstellung achten will, hat sein Zeichenkontingent schnell aufgebraucht. Denn in vielen Fällen gibt es keine sinnvolle Ersatzform, mit der das Problem umgangen werden könnte. – Also: Wie sollten wir in solchen Fällen vorgehen?

Aufzählungen

Schwierigkeiten ergeben sich unseres Erachtens auch, wenn in einer Aufzählung mehrere oder gar sehr viele Doppelnennungen hintereinander auftreten. Dann wird nämlich aus einem Satz wie dem folgenden, der eigentlich mit einem rhythmischen Dreiklang zum Satzende führen soll …

Wir bringen Informationen und Botschaften in die richtige Form, damit Ihre Kommunikation mit Kunden, Lesern und Geschäftspartnern überzeugt.

… ein Satz, der zum Ende hin so holprig und floskelhaft wird, dass man gar nicht bis zum entscheidenden Verb weiterlesen mag:

Wir bringen Informationen und Botschaften in die richtige Form, damit Ihre Kommunikation mit Kundinnen und Kunden, Leserinnen und Lesern sowie Geschäftspartnerinnen und -partnern überzeugt.

Auch wenn wir bereit sind, stilistische Abstriche zu machen, um der sprachlichen Gleichstellung gerecht zu werden, wollen wir jedoch nicht hinnehmen, dass letztlich die Botschaft eines Textes verlorengeht oder überlagert wird. Und mit einem Text absichtlich einen floskelhaften Eindruck zu erwecken, ist auch das Gegenteil von dem, was normalerweise unsere Arbeit leitet. Enthält die Aufzählung noch mehr Elemente, verschärft sich das Problem sogar:

Wir unterhielten uns mit Verkäuferinnen und Verkäufern, Servicemitarbeiterinnen und -mitarbeitern, Abteilungsleiterinnen und -leitern, Projektmanagerinnen und -managern sowie Managerinnen und Managern aus der mittleren Führungsebene und fanden heraus, dass der persönliche Kontakt zu Kundinnen und Kunden sowie zu Abonnentinnen und Abonnenten und anderen Leserinnen und Lesern von entscheidender Bedeutung ist.

Bestimmt wird es in einigen Fällen möglich sein, den Satz so umzustellen oder einige Begriffe so zu verändern, dass am Ende eine akzeptable Variante entsteht. Doch insbesondere für den ersten genannten Beispielsatz haben wir bisher noch keine gute Lösung gefunden. Und das ist besonders schade, weil es sich dabei um einen Satz von unserer eigenen Website handelt …

Stilistische Figuren

Kaum lösbare Probleme entstehen, wenn es um Sätze und Formulierungen geht, die auch durch ihre Struktur, ihren Klang und ihren Rhythmus wirken sollen, zum Beispiel bei Claims oder Überschriften oder besonderen Stilfiguren innerhalb eines Textes. Ein einfaches Beispiel wäre ein Claim wie dieser:

Aus Daten werden Informationen. Aus Kunden werden Partner.

In der Variante, die die sprachliche Gleichstellung berücksichtigt, bleibt von der Stilfigur letztlich nichts übrig:

Aus Daten werden Informationen. Aus Kundinnen und Kunden werden Partnerinnen und Partner.

Sowohl die Parallelität der beiden Sätze als auch der Rhythmus des zweiten Satzes verschwinden einfach.

Und was ist mit Wörtern wie „Texter/-innen-Alltag“? Abgesehen von der Frage, ob das orthografisch so überhaupt richtig geschrieben ist, fehlt diesem Wort natürlich ein Gutteil der Prägnanz und Griffigkeit, die der Begriff „Texteralltag“ hat.

Relativsätze und Possessivpronomen

Knifflig wird es häufig auch, wenn Relativsätze und Possessivpronomen ins Spiel kommen. Denn hier können schnell sehr unübersichtliche Wortfolgen entstehen, weil jedes Element für sich sprachlich angepasst werden muss. Zum Beispiel:

Eine Ärztin/Ein Arzt, die/der ihre/seine Praxis umstrukturieren will …

In diesem Beispielsatz wäre eine Lösung, in den Plural zu wechseln, damit hätte man im Nebensatz keine Probleme mehr: Ärztinnen und Ärzte, die ihre Praxis umstrukturieren wollen … Doch diese Lösung lässt sich auch nicht in allen Fällen anwenden. Wenn man beispielsweise gerade das einzelne Individuum sprachlich hervorheben möchte, würde diese Vorgehensweise eher kontraproduktiv sein. Und die Aussage zu verwässern kann eben auch nicht die Lösung sein. Hier bliebe einem dann nur die umständliche Formulierungsweise.

Was tun?

Sollen wir angesichts dieser und ähnlicher Probleme nun auf die sprachliche Gleichstellung lieber verzichten oder die (zum Teil recht schwerwiegenden) Nachteile in Kauf nehmen? Oder sollen wir einige Ausnahmen bei der konsequenten Gleichstellung zulassen, wenn der konkrete Nachteil dies rechtfertigen würde? Und wo zieht man dann die Grenze? Und was sollen wir unseren Kundinnen und Kunden empfehlen?

Wir sind noch ein bisschen ratlos und hadern mal mit der einen und mal mit der anderen Lösung. Oder werden wir uns mit der Zeit einfach an einige neue Klänge in der Sprache gewöhnen?

Wer also praktikable Lösungen parat hat – immer her damit!

* Die verschiedenen anderen Möglichkeiten der verkürzten Wiedergabe (mit Sternchen, mit großem Binnen-I, mit Unterstrich etc.) kommen wir unser berufliches Schreiben eher nicht infrage, da sie nicht mit dem Duden konform gehen und dieser letztlich unser Orientierungspunkt ist.


Einsortiert unter:Bessere Texte für Ihr Unternehmen, Neues aus der Textabteilung Tagged: formale Aspekte, Grammatik, Lesbarkeit, Schreibweise, Texte vom Profi

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